Reisebericht Japan Frühjahr '99
Ungeplant und recht kurzfristig bin ich im Frühjahr 1999 für nur eine Woche nach Japan geflogen. Sie werden sich vielleicht fragen, wie man auf die Idee kommen kann, für eine solch kurze Zeit einen derart weiten Flug in Kauf zu nehmen. Die Erklärung ist ganz einfach: Nebst der Tatsache, dass ich schon seit ziemlich genau einem Jahr keinen einzigen Tag Ferien mehr gehabt hatte und vom Büro ein bisschen genug hatte, entdeckte ich im Internet ein billiges Flugangebot, welches bis Ende März limitiert war. So habe ich die Gelegenheit beim Schopf gepackt und bin kurz entschlossen nach Japan gereist.
1. Tag, Ankunft Tokyo (Mittwoch, 24.3.)
Entspannt und ohne grosse Eile fahre ich zum Flughafen Kloten, schliesslich habe ich am Vortag eingecheckt und bin bereits im Besitz einer Bordkarte. Alles was mir zu tun übrig bleibt ist, in den richtigen Flieger zu steigen. Am Flughafen treffe ich noch meine Schwester, welche an diesem Tag in Zürich ist und mit mir noch einen Kaffee trinken kommt. Danach geht's ans Abschiednehmen und ich muss nur noch schnell beim Check-In der Lufthansa meine Bordkarte für den Weiterflug von Frankfurt nach Tokyo holen gehen.
Dort werde ich allerdings mit ziemlich besorgten Gesichtern
empfangen und die Worte es gibt ein Problem
sind genau
das, was man weder in Houston noch vor einem Flug nach Japan
wirklich hören will. In Frankfurt ist auf einer der beiden
Landebahnen das Instrumentenlandesystem ausgefallen und die
Passagiere nach Tokyo wurden daher auf einen früheren Flug
umgebucht, damit sichergestellt ist, dass sie den Anschluss
nicht verpassen. Da ich aber schon eingecheckt habe und entsprechend
spät am Flughafen bin, geht dies in meinem Fall nicht mehr.
Also bleibt mir nichts anderes übrig, als auf den vorgesehenen
Flug zu warten, das Beste zu hoffen und auf mein Glück in
solchen Dingen zu vertrauen.
Quälend langsam vergeht die Zeit und unaufhaltsam verrinnt
die gute Stunde, welche ich in Frankfurt an Reserve habe.
Als wir endlich losfliegen, kann ich es aber gerade noch auf
den Anschlussflieger schaffen. Kurz vor Frankfurt teilt uns
der Kapitän mit, dass wir jetzt noch eine Weile über Frankfurt
kreisen dürfen und bei der Liste der Anschlussflüge, welche
durchgegeben werden und warten, ist meiner selbstverständlich
nicht dabei. Wir landen schliesslich 10 Minuten nach der Abflugzeit
des Fliegers nach Tokyo - bald kann ich aber ein beruhigendes
delayed
auf der Abflugtafel lesen. Mit einem entspannten
jetzt kann nichts mehr schief gehen
auf den Lippen
setze ich mich ins Departure-Gate. Nach nur 20 Minuten geht
es weiter und die Verspätung hält sich insgesamt in erträglichen
Grenzen.
Der Flug selber ist dann im Wesentlichen ereignislos (also
langweilig und öde), einziges Highlight ist, da wir auf der
Sibirienroute sehr weit nördlich fliegen, das Nordlicht. Die
Aurora Borealis
, welche sich fast über den ganzen nördlichen
Horizont erstreckte, ist ein sehr beeindruckendes Erlebnis
und selbst wenn man genau weiss, wie sie zustande kommt, beim
ersten Anblick ziemlich erstaunlich.
In Tokyo muss ich heute nur kurz bei der Einreise anstehen und bald laufe ich schon mit einem schnell erstandenen Ticket in der Hand zur Bushaltestelle. Dort kann ich mir nach 12 Stunden endlich wieder eine Zigarette anzünden und schon nach wenigen Minuten steht der Bus bereit. Zum Transport von Narita in die Innenstadt von Tokyo ist übrigens Folgendes zu sagen: Egal wie sehr Sie die fremden Zeichen verwirren und egal wie schwierig Ihnen der öffentliche Verkehr im ersten Augenblick zu sein scheint, steigen Sie auf gar keinen Fall in ein Taxi! Zwar stehen diese bereit und fahren Sie noch so gerne zu Ihrem Hotel, aber 250.-- Franken sind das Minimum das Sie zu bezahlen haben werden.
Fahren Sie entweder mit der Bahn oder dem Bus nach Tokyo. Die Bahn ist sehr angenehm und praktisch direkt unter dem Flughafen angesiedelt und die JR bringt Sie in weniger als einer Stunde in die Stadt, entweder zur Tokyo Station, nach Shinjuku, nach Ikebukuro oder sogar bis nach Yokohama. Billiger und mit höherer Frequenz bringt Sie die Keisei Linie bis nach Ueno (inkl. Zwischenstops). Der Nachteil ist natürlich der, dass Sie der Zug nicht direkt vor das Hotel bringt. Je nach dem in welchem Sie wohnen, kann es daher einfacher sein, den Bus zu nehmen. Prüfen Sie, ob Ihr Hotel in der Liste der Haltestellen aufgeführt ist oder nicht.
Meines ist erfreulicherweise eines davon und so bringt mich der Bus in rund 1½-stündiger Fahrt ins Keio Plaza Intercontinental in Shinjuku-West, wo ich so um 10:00 Uhr morgens eintreffe. Da es mein einziger Tag in Tokyo ist, reserviere ich noch schnell am Abend in der Sushi-Bar im Hotel einen Platz und breche bald darauf Richtung Bahnhof Shinjuku auf.
Dort angekommen sehe ich mich erst einmal nach einem Kinokuniya
um. Kinokuniya ist eine grosse Kette von Bücherläden, welche
auch über ein gutes Sortiment an fremdsprachigen Büchern und
insbesondere von Lehrmitteln der japanischen Sprache verfügen.
Meine Kollegin aus dem Japanischunterricht meinte, dass die
Filiale in Shinjuku einfach zu finden sei (irgendetwas von
beim Haupteingang mit den vielen Fahrrädern über die Strasse
).
Jeder der schon einmal in Shinjuku war, ahnt wohl bereits,
dass ich den Laden selbstverständlich nicht gefunden habe.
Shinjuku ist schliesslich der meist frequentierte Bahnhof
der Welt und er weist noch nicht einmal Anzeichen der Übersichtlichkeit
auf. Erschwerend kommt noch dazu, dass die Kinokuniya Tragetaschen
in Englisch angeschrieben sind, die Läden dagegen nicht und
so kann es durchaus sein, dass ich direkt vor dem Laden vorbeigelaufen
bin, ohne es zu merken. Ich mache mir aber keine grossen Gedanken,
schliesslich gibt der Lonely Planet den genauen Standort (dazu
später mehr) des Kinokuniya in Umeda (Osaka) an - ich
werde es dort einfach nochmals versuchen.
Das Hauptgebäude der Asahi Brauerei in Asakusa ist ein
umstrittenes Werk von Philippe Starck, welches den wenig
schmeichelhaften Übernamen The golden shit
trägt
Also ab in die U-Bahn und auf nach Asakusa. Schliesslich will
ich noch kurz wissen, wie es im Moment mit meinem Glück so
steht und dafür gehe ich kurz in den Asakusa Kannon Tempel
um das Orakel zu befragen. Dort angekommen schüttle ich also
die Trommel mit den nummerierten Stäben und meine Zahl ist
die 49. Auf dem entsprechenden Zettel steht, dass es eine
gute Zeit für eine Reise
ist - das trifft sich ja wunderbar.
Weiter erfahre ich, dass mein Glück strahlend
sei und
ich keine Probleme in meinem Herzen trage
. Allerdings
ist es sowohl für einen Hausbau als auch eine Heirat nur
halbes Glück
. Aber irgendwie macht es mich stutzig
und ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dies schon
einmal gelesen zu haben. Und tatsächlich, als ich dies nach
meiner Rückkehr zuhause überprüfe, muss ich feststellen, dass
ich schon vor einem Jahr die Nummer 49 gezogen habe! Vielleicht
sollte ich es ernster nehmen und tatsächlich weder ein Haus
bauen noch in den Hafen der Ehe einlaufen (jetzt habe ich
wenigstens eine gute Ausrede).
Von Asakusa ist es nicht weit nach Nihombashi, in dessen Nähe
(a 10-minutes walk
) sich die Börse von Tokyo befindet.
Als Besitzer von Sony Aktien, welche sich seit 2 Jahren im
Wesentlichen nicht bewegt haben, wollte ich die Jungs mal
ein bisschen anfeuern gehen. Ich bin allerdings schon etwas
spät dran und laufe prompt in die falsche Richtung. Als ich
den Irrtum einsehe und wieder zurücklaufe sind schon wieder
20 Minuten vergangen und die Börse ist natürlich nicht in
den hübschen Plänen verzeichnet, welche sie extra für Touristen
wie mich aufgestellt haben. Dass ich den wichtigsten Hinweis,
wie man sie findet, nicht notiert habe, war aber wohl der
entscheidende Fehler (ich hatte wegen eines einzigen Tages
den Lonely Planet für Tokyo nicht mitgeschleppt). Tja, man
kann nicht immer alles finden und sich in Tokyo zu verfransen
ist keine Schande. Aber die gute Absicht war wohl schon genug,
da die Nikkei kurz darauf zu einem eigentlichen Höhenflug
ansetzte und den höchsten Stand seit Jahren erreichte.
Ca. um 17:30 besteige ich wieder die U-Bahn Richtung Shinjuku. Im Hotel angekommen geht es ziemlich bald ab zur Sushibar, in der ich ebenfalls schon im Vorjahr war. Das Sushi ist auch an diesem Abend absolut wunderbar und spätestens beim Toro, der fetten Bauchpartie des Thunfisches, kann ich mich nicht mehr zurückhalten und ich esse ihn sowohl als Nigirizushi als auch als Sashimi. Da sowohl Maguro (die Seitenpartien des Fisches) als auch Toro vorzugsweise aus Bluefin Thunfisch hergestellt wird, welcher auf dem Fischmarkt von Tokyo bis zu $10 000 kosten kann, fiel die Rechnung auch entsprechend aus. Der Bluefin ist einer der grössten Fische überhaupt und kann bis zu 1500 Pfund wiegen - ein solches Exemplar wurde auch schon für $90 000 gehandelt!
Nach einem kurzen Besuch in der Pole Star Bar
, von der
man einen beeindruckenden Blick auf das nächtliche Tokyo hat,
schlafe ich satt und zufrieden ein.
2. Tag, Miyajima (Donnerstag, 25.3.)
An diesem Morgen muss ich um 11:56 den Zug erwischen, also überhaupt kein Stress. Zudem habe ich mir einen Zeitplan zurechtgelegt, welcher es mir nicht nur erlaubt, gemütlich zu frühstücken sondern auch noch ein bisschen die Gegend rund um die Tokyo Station anzuschauen.
Als um 7:00 der Wecker läutet, erscheint mir dieser Zeitplan doch reichlich übervorsichtig und so stelle ich den Wecker erst einmal um eine Stunde vor. Als ich dann endlich aus dem Bett krieche ist es schon 8:30 - kein Problem. Duschen, Koffer packen - 9:15, jetzt bloss kein Stress.
Das Frühstück im Keio Plaza Intercontinental ist wie immer hervorragend. Dazu noch ein bisschen die Zeitung lesen - die Japaner verfolgten zwei nordkoreanische Spionageschiffe, konnten sie aber aufgrund der japanischen Verfassung nicht stoppen - eine Zigarette rauchen und zwei Tassen Grüntee trinken - 10:30.
Rasch aufs Zimmer gehen, das Gepäck mitnehmen, alle Schubladen inspizieren und ab zum Check-out an die Reception (bzw. eben zum Frontdesk). Fünf Minuten anstehen - man ist ja nicht der Einzige um diese Zeit - und beim Anblick der Rechnung so tun, als ob man völlig unbeeindruckt wäre (während man sich innerlich schwerste Selbstvorwürfe macht) - 10:50. Jetzt noch schnell den Koffer nach Osaka aufgeben und dann nichts wie ab. Auch das ist recht schnell erledigt und ziemlich genau um 11:00 verlasse ich das Hotel. Gemäss meinem Zeitplan sollte ich um diese Zeit längst bei der Tokyo Station sein und noch ein bisschen Sightseeing machen.
Zuerst muss ich zum Bahnhof Shinjuku, ich kenne aber zum Glück eine Abkürzung. Nach 5 Minuten muss ich allerdings einsehen, dass ich diese wohl nicht innert vernünftiger Zeit finde. Also gehe ich ganz normal zu Fuss nach Shinjuku und suche gehetzt die JR. Um 11:15 stehe ich endlich auf dem richtigen Geleise und muss einsehen, dass ich den Shinkansen dieses Jahr wohl endgültig verpasst habe. Aber auf mein Glück in solchen Fällen kann ich mich fast immer verlassen: Nur Sekunden nachdem ich dort bin, trifft ein Limited Express Richtung Tokyo Station ein!
Dieser hält nur an den wenigsten Stationen und so treffe ich
11:45 bereits in der Tokyo Station ein - ich bin gerettet.
Nun noch eiligen Schrittes zu den Shinkansens rüber (glücklicherweise
sehr nahe bei den JR Vorortszügen) und schon stehe ich auf
dem richtigen Gleis wo ein paar Minuten später der Nozomi
13, ein Zug der K-500 Serie,
nach Hakata einfährt. Im Zug klärt mich die Durchsage darüber
auf, dass dies the Shinkansen superexpress Nozomi 13 bound
for Nagoya, Kyoto, Shin-Osaka, Okayama, Hiroshima, Kokura
and Fukuoka
sei. Also ist alles bestens und die nächsten
4 Stunden verbringe ich damit, gemütlich zum Fenster herauszuschauen.
Beim Buchen hatte ich leider vergessen, einen Raucherplatz
zu reservieren und so ist das erste, was ich in Hiroshima
tue, mit zittrigen Fingern einen Glimmstängel anzuzünden.
Im Bahnhof von Hiroshima selber halte ich mich nicht lange
auf. Ich weiss ja vom Vorjahr wo es lang geht und bald habe
ich ein Ticket nach Miyajima gekauft. Für ein Miyajima
made no kippu o kudasai
und kono densha wa nan-bansen
desu ka?
genügt mein Japanisch auf jeden Fall (auch wenn
ich mir beim ersten nicht so ganz im klaren bin, was meine
Lehrerin dazu sagen würde - Hauptsache der Schalterbeamte
versteht mich). Mit der Vorortsbahn der JR geht es nach Miyajima-guchi
und von dort sind es nur ein paar Minuten mit der Fähre auf
die Insel Miyajima. Dort steht bereits der Bus, welcher mich
zum Iwaso-Ryokan bringt und bald sitze ich bereits in der
Yukata (ein leichter Baumwollkimono) auf den Tatami Matten
und trinke einen Tee. Der wichtigste Satz auf Japanisch in
einem Ryokan lautet übrigens Chotto matte kudasai!
,
was Warten Sie bitte einen Augenblick
heisst. Ich kann
diesen auf jeden Fall gut gebrauchen, als ich mitten am umziehen
wie Gott mich schuf im Zimmer stehe und es an der Türe klopft...
In einem Ryokan ist es durchaus üblich, dass die Leute zu
den unpassendsten Augenblicken reinplatzen.
Da es in einem Ryokan auf Miyajima deutlich gemütlicher zu
und her geht als an einem Schalter in der U-Bahn von Tokyo
kann ich jetzt mein ganzes Japanisch aufbieten und mit dem
Personal - alles nette, ältere Damen - ein bisschen plaudern.
Sie erklärt mir wo alles ist und wie die Öffnungszeiten sind,
Dinge die man nach einem Jahr Japanisch schon ziemlich gut
versteht. An neuen Wörtern lerne ich kaidan
(Treppe)
und kuppon-ken
(Gutschein). Letzteren braucht sie von
mir: In Japan ist es üblich vom Reiseveranstalter einen Gutschein
für die Hotels etc. zu erhalten, welchen diesen (im Gegensatz
zum Westen) meist auch benötigen oder zumindest sehen wollen.
Bevor ich ins Bad gehe (o-furo ni hairitai desu
,
ich möchte gerne ins Bad
) bestelle ich noch das Abendessen
auf die 19:30 und bald verschwinde ich ins Bad, in dem ich
mich herrlich von der Reise entspannen kann. Bald schon sitze
ich im Zimmer und pünktlich wird mir ein Riesenabendessen
aufgetischt, auf das ich mich sofort wie ein hungriger Wolf
stürze - schliesslich hatte ich nichts zu Mittag gegessen.
Es gibt traditionelles Kaiseki
bestehend aus viel Sashimi (nicht nur Fisch, es geht quer
Beet durch die ganze maritime Fauna), Tempura, gekochten Fisch,
verschiedensten Gemüsen und natürlich Reis und Suppe. Auch
westliche Dinge wie ein Schweinsschnitzel kommen auf den Tisch
(hier allerdings lauwarm, was in Japan ganz und gar nicht
unüblich ist). Bei ein paar Dingen bin ich froh, dass ich
mir zeigen lassen kann, wie man es genau isst. Als sie allerdings
das Tempura abräumen kommt, welches in einem schönen Korb
arrangiert war, meint sie, ich soll doch aufessen. Ungläubig
starre ich auf das Geschirr und obwohl ich die Worte schon
verstehe (tabete kudasai!
, essen sie bitte
)
fehlt mir doch der Glaube. Soll ich jetzt in das Holzbrett
beissen oder etwa das Strohkörbchen essen?
Wenn alles gut zureden nichts hilft muss man es eben vormachen.
Prompt bricht sie einen Teil des Körbchens ab und isst es.
Jetzt ist der Groschen auch bei mir gefallen und ich realisiere,
dass es aus ungekochten dünnen Nudeln gefertigt ist und ebenfalls
zum Abendessen gehört. Mit ein paar erklärenden Worten (suisu
ni shokki o tabemasen
, in der Schweiz isst man das
Geschirr nicht
) esse ich es auf. Es schmeckt nicht einmal
schlecht, die Nudeln sind gut gewürzt und durchaus schmackhaft.
Danach geht es mit normaleren Dingen weiter und nach einer
doppelten Portion Reis (ich hatte immer noch ein bisschen
Hunger) lehne ich mich satt zurück. Einmal mehr stelle ich
fest, dass eine Speisefolge, wie sie bei uns üblich ist, in
Japan kaum existiert. Als ich meine zweite Portion Reis bestelle,
steht auf dem Tisch noch die Nachspeise (ein Eis). Als sie
den Reis bringt und ich das Eis noch nicht gegessen habe,
wundert sie sich darüber und fragt, warum ich es nicht gegessen
hätte. Ich bin zwar in Japan und versuche mich so weit als
möglich anzupassen, die Süssspeise esse ich aber dennoch am
liebsten am Schluss.
Danach geht es noch zu einem Spaziergang zum berühmten Tori
von Miyajima und ich ziehe über meine Yukkata noch die bereitgelegte
zweite und wärmere Yukkata und eine haori
(eine Überziehjacke)
an. Als ich den Gang Richtung Lift entlangtripple (schliesslich
habe ich nicht meine Wanderschuhe sondern die für Japan ebenso
typischen wie unpraktischen Sandalen an) freut sich das gesamte
Personal über den Gaijin (Ausländer), der weiss wie man solche
Dinge anzieht (einfach, beachten Sie aber bei einer Yukkata
oder einem Kimono immer, dass die linke Seite über die rechte
kommt. Umgekehrt zieht man nur die Toten an!). Aber offenbar
ist noch nicht alles perfekt und so zieht eine der Damen mir
noch die Knoten und Kragen ein bisschen zurecht, damit ich
auch perfekt angezogen bin. Weiter bestehen sie noch darauf,
dass ich unbedingt den Fotoapparat mitnehme. Draussen ist
es zwar stockdunkel (es ist schon zehn Uhr) aber um ihnen
eine Freude zu machen, nehme ich ihn eben mit. Daran, bemuttert
zu werden habe ich mich längst gewöhnt und seiner Mutter soll
man ja nicht widersprechen...
Bald bin ich trotz der Schuhe an der Strandpromenade angekommen.
Die japanische Kultur hat viele bemerkenswerte Dinge hervorgebracht
aber Schuhe gehören ganz eindeutig nicht dazu. Zwar sieht
es sehr japanisch aus, praktisch sind sie aber ganz und gar
nicht. Der Tori, welcher beleuchtet ist und sehr imposant
(sugoi!
) aussieht, steht an diesem Abend im Sand: es
ist Ebbe. Diese Gelegenheit nutze ich natürlich um ein bisschen
um ihn herum zu spazieren und ich versuche auch, eine Aufnahme
zu machen (eine davon ist tatsächlich was geworden). Die Witterung
ist kühl und leichter Regen setzt ein, so begebe ich mich
wieder auf den Rückweg. Vor dem Schlafengehen gehe ich noch
einmal kurz ins Bad, um mich wieder ein bisschen aufzuwärmen
und völlig entspannt kuschle ich mich danach in mein Futon
und schlafe sehr bald wie ein Murmeltier.
3. Tag, Inlandsee (Freitag, 26.3.)
Zu unchristlicher Zeit reisst mich der Wecker aus meinem Schlaf und ich muss wohl oder übel aufstehen, falls ich Wert auf ein Frühstück lege. Dies tue ich sogar sehr und bald bin ich im Speisesaal und freue mich an den erlesenen Speisen, welche wunderschön arrangiert auf mich warten (auch wenn diese zwei Stunden später bestimmt noch besser geschmeckt hätten). In Ryokans ist es übrigens üblich, auf dem Zimmer zu Abend zu essen, das Frühstück jedoch im Speisesaal zu sich zu nehmen.
Nach einem weiteren Bad im sehr schönen o-furo
packe
ich meine sieben Sachen und will gehen. Da ruft mich eine
der Damen (Chotto matte kudasai!
) zurück und winkt
den Rest des Personals zusammen. Diesen erklärt sie ganz stolz,
dass dies der Gaijin sei, welcher so perfekt Japanisch spricht
(was natürlich nicht stimmt und mir die Schamesröte ins Gesicht
jagt, ich höre es aber dennoch gerne), brav alles aufgegessen
hat (vermutlich kennen sie in erster Linie amerikanische Touristen,
welche wohl die Hälfte stehen lassen und lieber einen Hamburger
hätten), in der Yukkata prima ausgesehen hat und erst noch
Schweizer ist. Besonders letzteres wird mit Bewunderung aufgenommen
und zeigt einmal mehr, wie beliebt wir Helveten im Land der
aufgehenden Sonne doch sind. Nachdem sie mir noch das Versprechen
abgenommen hat, dass ich bald wiederkomme, erzähle ich ihr
noch, was ich vorhabe und ich nehme endgültig Abschied.
Draussen regnet es leider und so wird wohl aus meinem Plan,
den Berg Misen zu besteigen
(er ist nur gut 500m hoch),
nichts. Bald darauf hört der Regen jedoch auf und kurz entschlossen
schmeisse ich mein Gepäck in ein Schliessfach und laufe los.
Der Aufstieg ist angenehm, da der Weg gut ausgebaut ist, aber
für einen völlig untrainierten wie mich dennoch recht anstrengend.
Im Wesentlichen läuft man fast zwei Stunden lang eine Treppe
hoch, was doch ziemlich in die Beine geht. Der Aufstieg ist
aber sehr schön und führt fast durchwegs durch einen erstaunlich
unberührten Wald (man muss sich vor Augen halten, dass Miyajima
einer der meist besuchten Flecken Japans ist). Dabei kommt
man an verschiedenen kleinen Schreinen vorbei und, wenn das
Wetter so schlecht ist und man mehr oder weniger alleine ist,
sieht man viele Tiere.
Oben angekommen schaue ich mir einen der Tempel an. Es bleibt
aber nicht viel Zeit, denn bald setzt der Regen wieder ein
und diesmal ist es nicht ein leichtes Nieseln sondern ein
ziemlich ausdauernder Landregen. Also nehme ich nicht wieder
den Weg nach unten (der nur eine gute halbe Stunde in Anspruch
nimmt) sondern nehme die ropu-way
, die Seilbahn. In
der Kabine schwatze ich noch ein bisschen mit einem jungen
Ehepaar, das mit ihrem kleinen Kind unterwegs ist, welches
sich brennend für den seltsamen Ausländer interessiert. Mein
Anata no kodomo wa totemo kawaii desu
(Ihr Kind
ist sehr süss
) freut sie natürlich und nachdem ich es
ihnen angeboten habe (Shashin o torimasho ka?
) mache
ich noch ein Foto von ihnen. Mein Japanisch, so spärlich es
noch sein mag, macht das Reisen in Japan auf jeden Fall viel
angenehmer und besonders da ich ja alleine unterwegs bin,
viel interessanter.
Zurück in Miyajima kaufe ich erst einmal einen Schirm. Die billigen, kleinen Plastikschirme sind praktischerweise an jeder Ecke für ¥400 (fünf Franken) zu haben. Bald besteige ich wieder die Fähre, welche mich zum Festland zurückbringt, und in Miyajima-guchi steige ich in den Vorortszug nach Hiroshima um.
Dort angekommen gehe ich als erstes zum Schloss von Hiroshima,
welches ich noch nicht kenne. Als erstes schaue ich mir dort
eine kleine Ausstellung an. Die eine Hälfte ist für mich völlig
uninteressant, handelt sie doch von den Dreharbeiten eines
japanischen Historienfilms (glaube ich auf jeden Fall). Der
zweite Teil ist aber schon spannender: Dort kann man sich
einen Samuraihelm anziehen (bzw. anziehen lassen), welcher
doch ziemlich schwer ist und ich mich wundern muss, wie sie
diesen in einem Schlachtgetümmel nicht verloren haben (für
weibliche Gäste stand ein Kimono auf dem Programm). Als nächstes
steht Bogenschiessen auf dem Programm. Da die Pfeile mit Saugnäpfen
versehen sind, kann glücklicherweise auch bei mir nichts schiefgehen.
Ich habe dabei zwar nicht einem Habicht in vollem Flug ein
Auge ausgeschossen, bin aber nach ein paar Übungsschüssen
ziemlich nahe an das Zentrum der Zielscheibe gekommen. Das
letzte hands-on
Exponat wäre eher was für meine Schwester
oder deren Freund gewesen (die beide Schlagzeug spielen):
Im Wachturm kann man eine grosse Trommel ausprobieren, welche
wohl früher als Alarmsignal diente.
Das beste in der Ausstellung sind aber die beiden Angestellten (ein Ehepaar?). Sie bemühen sich sehr um die bei dem Wetter spärlichen Besucher und helfen mir sehr, meine Sprachkenntnisse zu vertiefen. Ich kann den Besuch dieser Ausstellung daher nur empfehlen, besonders wenn Sie mit Kindern unterwegs sind (die Ausstellung ist, wenn man durch das äussere Tor der Burg kommt, gleich rechts).
Danach geht es durch den Innenhof rüber zur eigentlichen Burg. Diese wurde zwar durch den Atombombenabwurf der Amerikaner vollständig vernichtet (zum Epizentrum sind es nur rund 2km Luftlinie), danach aber wieder aufgebaut. Der Bau selber sieht nur von aussen schön aus und ist innen ein schmuckloser Stahlbetonbau. Die Ausstellung ist aber sehr interessant und unbedingt zu empfehlen. Neben Informationen über Hiroshima und die Burg selber, gibt es auch sehr interessante Einblicke in das Leben zur Edozeit und die kulturelle Entwicklung des Landes. Alles in allem ist die Ausstellung sehr interessant gemacht und ist fast ausnahmslos auch in Englisch beschildert - in Japan eher die Ausnahme.
Nach der Besichtigung der Burg gehe ich noch schnell zum Tempel, den es auf dem Gelände ebenfalls gibt. Ich muss noch einen Glücksbringer für eine zuhause gebliebene Kollegin kaufen. Die Glücksbringer sind zwar nicht auf Englisch angeschrieben, dies kann mich aber nicht mehr schrecken:
kore no namae wa o-mori desu ka? (Ist der Name von dem
Wald?)(nach kurzem Nachdenken) iie, o-mamori desu! (o-mamori = Glücksbringer)
gakko no shiken no o-mamori ga arimasu ka? (Haben Sie einen Glücksbringer für eine Schulprüfung?)
benkyo no? (Eins zum Lernen?)
iie, shiken no o-mamori o o-negai shimasu. Ikura desu ka? (Nein, eines für eine Prüfung. Wieviel kostet es?)
go-hiyaku en desu. (500 Yen)
Damit ausgerüstet gehe ich mal Richtung Hafen, von wo aus am Abend meine Fähre nach Beppu auslaufen wird. Dort angekommen überprüfe ich erst, ob die Angaben zum Fahrplan auf meinem Ticket auch stimmen (eine gute Übung im Entziffern von Kanjis) und als ich dies bejahen kann, gehe ich erst einmal in einer Quartierkneipe ein paar Nudeln essen. Danach kehre ich ins Zentrum von Hiroshima zurück, um noch ein bisschen das Nachtleben zu geniessen und mir in ein paar Spielsalons die Zeit zu vertreiben. Rechtzeitig bin ich mit der Strassenbahn zurück in Ujina, so heisst der Hafen von Hiroshima, und besteige nach neun die Fähre Richtung Beppu.
Mein Ticket war, verglichen mit den normalen Tarifen, astronomisch teuer und bald weiss ich warum. Auf meinen Wunsch hin, eine Einzelkabine zu buchen, wurde für mich nicht weniger als die Suite des Schiffes gebucht. Zwar lege ich Wert darauf, nicht in der normalen Massenunterkunft (20 Leute pro Raum) zu nächtigen, dies war aber doch fast ein bisschen übertrieben. Da die Überfahrt während der Nacht mir aber eine Hotelübernachtung spart, ist es dennoch finanziell attraktiv und die Kabine durchaus angenehm. Neben dem eigenen Bad gehört auch eine kleiner verglaster Balkon dazu. Dies ist sehr praktisch, da ich es nicht so schätze im Schlafzimmer zu rauchen - etwas was im Hotel unvermeidlich ist. Die Suite ist genau unter der Brücke und so habe ich eine spektakuläre Sicht während der Hafenausfahrt, am Tag würde es sich aber noch mehr lohnen. Der einzige Nachteil war allerdings die Klimaanlage. Haben Sie je die TV-Serie Onedin-Line gesehen? Stellen Sie sich einfach einer der vielen Szenen vor, in denen Baines während eines Sturms hinter dem Steuer steht und den Elementen trotzt. Etwa so hat die Klimaanlage geblasen und natürlich liess sie sich nicht abstellen...
Nach einem kurzen Abstecher ins Restaurant des Schiffes, um ein paar Bierchen zu kippen, gehe ich zu Bett und lasse mich vom leichten Schaukeln und beruhigenden Brummen des Diesels in den Schlaf lullen.
4. Tag, Beppu (Samstag, 27.3.)
Einen Wecker hat die Suite nicht, ich erwache aber sofort, als der Motor plötzlich die Drehzahl ändert. Als ich zum Fenster herausschaue sehe ich, dass wir uns bereits in der Bucht von Beppu befinden und in ein paar Minuten anlegen werden. Schnell ist alles im Rucksack verstaut, die Zähne geputzt und bereits erfolgt die Durchsage, dass man jeden Moment von Bord gehen kann. An Land stelle ich fest, dass es gerade mal sechs Uhr in der Früh ist und die anderen Passagiere genauso müde und verschlafen wirken wie ich. Mit dem Taxi lasse ich mich zum Bahnhof von Beppu fahren, will ich doch heute den Vulkan Aso besichtigen gehen.
Am Ticket- und Informationsschalter, dem midori no mado-guchi
(grüner Schalter), ist das Ticket schnell erstanden. Allerdings
fährt der erste Zug erst um 8:30 und da das Unterhaltungsangebot
zu solch nachtschlafender Zeit doch recht begrenzt ist, bleibt
mir nichts anderes übrig, als über zwei Stunden im Bahnhof
zu warten. Ich beobachte ein bisschen die Szenerie, welche
in Bahnhöfen rund um die Welt wohl immer die gleiche ist.
Die ersten Pendler treffen ein, müde aussehende Angestellte
richten den Bahnhof für den bevorstehenden Tag her, Arbeiter
werden von Kollegen mit dem Lieferwagen zur Arbeit abgeholt
und selbst ein paar ältere Leute, die schon um diese Zeit
betrunken sind und munter weitersaufen gibt es hier - eben
wie überall auf der Welt.
Für solche Momente habe ich immer einen dicken Roman dabei
(irgendetwas von Crichton, King oder, wie in diesem Fall,
von Clancy) und so geht die Zeit rasch vorbei und bald sitze
ich im Aso Limited Express
der JR und fahre ins Landesinnere
von Kyushu (der Aso liegt ziemlich genau in der Mitte der
Insel). Während der rund zweistündigen Fahrt komme ich allerdings
nicht umhin festzustellen, dass das Wetter immer schlechter
wird.
In Aso angekommen (die JR Station heisst praktischerweise wie
der Vulkan, man muss sich also keine weiteren Kanjis oder
Namen merken) geht es für den letzten Teil der Strecke auf
den Bus. Der Fahrplan ist übrigens so gestaltet, dass der
Bus rund 10 Minuten nach Eintreffen des Aso Limited Express
abfährt. Mit diesem geht es dann endgültig Richtung Gipfel
des Aso und ebenso endgültig in die dicksten Wolken rein.
Unterhalb des Gipfels ist das Mt. Aso Volcanic Museum
und in Anbetracht des Wetters steige ich hier auch aus. Wie
ich später von anderen Touristen erfahre, welche auf dem Gipfel
waren, die richtige Entscheidung.
Der Hauptkrater des Aso hat einen Durchmesser von rund 80 km x 120 km, heute beträgt die Sichtweite aber rund 5 Meter! Ehrlich gesagt bin ich froh, ohne überfahren zu werden über die Strasse zu gelangen und nach den 100 m Weg bis zum Museum ist man bereits ziemlich nass - zum Glück habe ich einen Schirm dabei. Das Museum ist recht interessant, lohnt alleine den Weg aber kaum. Es ist zwar recht modern und attraktiv gemacht und erst noch durchgängig in Englisch angeschrieben, es ist aber nicht sonderlich gross. Ich für meinen Teil konnte in erster Linie feststellen, dass vom Geologieunterricht in der Mittelschule recht viel hängen geblieben ist.
Bald schlendere ich durch den dichten Nebel (genaugenommen wohl Wolken) zur Busstation um nachzuschauen wie die eigentlich so fahren. An dieser Stelle sei folgende Warnung ausgesprochen: Der Bus fährt nur alle 1 ¼ Stunden! Wenn Sie also - wie ich - die Rückfahrkarte für die Bahn schon gekauft haben, müssen Sie unbedingt auf die Abfahrtszeiten achten. Aber wie gesagt, das Museum war nicht sonderlich gross und so kommt schon ziemlich bald der nächste Bus und bringt mich zurück in den kleinen Ort. Da ich allerdings neben dem Museumsbesuch auch eine kleine Wanderung auf dem Aso geplant hatte, bin ich natürlich einmal mehr an diesem Tag viel zu früh. Aso ist ein kleines Kaff, in dem es wirklich nichts zu tun oder zu sehen gibt: Einmal mehr sitze ich im Bahnhof rum und warte auf meinen Zug. Ich habe auf jeden Fall die Lehre daraus gezogen, dass man bei zweifelhaftem Wetter in Beppu besser das selbe macht, wofür man eigentlich nach Beppu geht: Baden. In Aso ist es recht kühl und entsprechend sehne ich mich nach heissem Thermalwasser um meine kalten Knochen zu wärmen.
Zurück in Beppu gehe ich in mein Hotel, dem Hanabishi
.
Dieses ist ein gesichtsloser Betonbau wie es sie in Beppu
massenhaft gibt. Beppu ist zwar ein bekannter Badeort, dies
heisst aber noch lange nicht, dass es nicht auch eine typisch
japanische Stadt ist - und diese pflegen nun einmal alle gleich
hässlich auszusehen. Aber das Hotel ist durchaus angenehm.
An der Reception gibt es zwar erst einmal wieder das in Japan
oft anzutreffende totale Versagen jeglicher Kommunikation:
Ich stehe mit meinem kuppon-ken
dort und versuche den
jungen Damen klarzumachen, dass ich hier ein Zimmer reserviert
habe. Diese starren zuerst mich dann sich gegenseitig an und
sind sich offensichtlich nicht ganz im Klaren, was zu tun
ist. Ich wundere mich einmal mehr darüber: Was kann ein Tourist,
welcher am späteren Nachmittag mit Gepäck in ein Hotel kommt
und mit einem Gutschein wedelt schon gross anderes als ein
Zimmer wollen? Eigentlich bin ich aber selber schuld: Hätte
ich mir die Mühe gemacht, mir ein paar Sätze wie Ich habe
hier ein Zimmer reserviert
zu merken, hätte ich diese
Probleme nicht.
Aber irgendwann geht's dann doch (solche Szenen gehören einfach zum Erlebnis Japan) und bald bin ich in meinem Zimmer. Die Angestellte, welche mich aufs Zimmer gebracht hat, erklärt mir noch schnell, dass sie jemanden schickt, welcher Englisch spricht und macht sich (vermutlich erleichtert) aus dem Staub. Dabei wäre das gar nicht notwendig gewesen: Nach zwei englischen Sätzen, welche ich beide auf Japanisch beantwortet habe, erläutert mir die ältere Angestellte alles auf Japanisch und - Wunder über Wunder - ich verstehe im wesentlichen alles. Wir plaudern noch ein bisschen und bald mache ich mich auf, das Bad des Hotels zu besuchen.
Das normale Sento ist nichts spezielles (kennt man eines, kennt
man sie alle), ist aber sehr gut besucht. Danach gehe ich
weiter auf das Dach des Hotels, wo es ein rotemburo
gibt, ein o-furo
im Freien. Dieses ist ziemlich spektakulär,
kann man doch ganz Beppu, die Bucht und die umliegenden Berge
bewundern. An diesem Abend muss man allerdings die fünf Meter
von der Türe zum Bad schnell hinter sich bringen, bläst doch
ein ziemlich kalter Wind. Das macht das heisse Wasser aber
noch angenehmer als es sowieso schon ist und ich geniesse
den Sonnenuntergang im dampfenden Wasser.
Danach geht es zum Abendessen, welches einmal mehr ein Genuss ist. Es gibt viel Sashimi (schliesslich liegt Beppu direkt am Meer): Verschiedenste Krustentiere warten darauf, von mir mehr oder weniger geschickt aufgebrochen und verspeist zu werden. Das hübscheste an diesem Abend ist ein kleiner Fisch, welcher mit Kopf und Schwanz daliegt. Das Fleisch ist aber raffiniert verschnitten und so wieder hingelegt worden, dass der Eindruck eines ganzen Fisches entsteht. Daneben gibt es noch viele andere warme und kalte Speisen, von denen ich zwar oft keine Ahnung habe was es ist, aber alle köstlich schmecken.
Der Familie am Nachbartisch muss offenbar aufgefallen sein, dass ich etwas Japanisch spreche. Dies scheint dem Familienvater so imponiert zu haben, dass er mir einen Sake spendiert (den ich natürlich freudig annehme). Wir machen noch ein bisschen Smalltalk (über das Wetter und so, für mehr reicht es bei mir leider nicht) und er überschüttet mich anschliessend mit Lobhudeleien über mein Japanisch während ich mich bemühe, mich ebenso höflich für das Getränk zu bedanken.
Zurück im Zimmer wartet noch Arbeit auf mich: Meine Japanischlehrerin hat mir aufgetragen, ein japanisches Tagebuch mitzubringen und so muss ich mich wohl an die Arbeit machen. Aber dies fällt mit in der Yukkata, auf Tatamis sitzend und mit einem Fernseher im Hintergrund, in welchem gerade eine der üblichen Samurai-Seifenopern läuft, deutlich leichter als zuhause am Schreibtisch. Zwar war dieser Tag der Tiefpunkt dieser Ferien - gegen schlechtes Wetter hilft leider kein Kraut - aber dank des angenehmen Abends schlafe ich dennoch gut ein und habe schöne Träume.
5. Tag, Osaka (Sonntag, 28.3.)
Als mich die Sonne über der Bucht von Beppu weckt, stelle ich fest, dass ich einmal mehr viel zu spät dran bin. Das Ticket für den Zug nach Kokura hatte ich schon am Vortag gekauft und der Shinkansen würde ebenfalls nicht warten. Also hetze ich noch schnell zum Frühstück, stopfe ein bisschen Toast in mich rein und spüle es mit schlechtem Kaffee runter. Diese aufgewärmte Brühe hätte vermutlich jedem Amerikaner hervorragend geschmeckt, mit richtigem Kaffee hatte es aber nichts zu tun...
Wenig später geht es mit dem Sonic
Richtung Kokura.
Der Sonic ist ein hochmoderner, durchgestylter Zug. Sein auffälligstes
Merkmal sind die Mickey-Mouse Ohren an den Sitzen - dem Logo
des Sonic. Der Zug ist recht praktisch eingerichtet und komfortabel
fahre ich der Ostküste von Kyushu entlang Richtung Kokura.
Kokura ist der zweitletzte grosse Bahnhof der Sanyo-Linie
vor Fukuoka und gleichzeitig die Umsteigestelle, wenn man
von Ost-Kyushu her, den Shinkansen in nördlicher Richtung
nehmen will.
Dort angekommen bleibt mir gerade noch die Zeit, ein Bento und ein Getränk zu kaufen, bevor ich den Nozomi 18, einem weiteren K-500 Shinkansen, besteige. Mit 300 km/h geht es rasant Richtung Osaka und in nur 2 Stunden treffe ich in Shin-Osaka, dem Shinkansenbahnhof von Osaka, ein. Von dort sind es nur noch ein paar U-Bahn Stationen bis Namba, der Station auf der mein Hotel, das Nankai South-Tower, steht.
Als ich mich frisch gemacht habe (meinen Koffer hatte ich die letzten 3 Tage nicht dabei) ist es zwar erst später Nachmittag, ich habe aber dennoch nicht mehr Lust, irgendetwas zu unternehmen. Aber ich habe ja Ferien und so lege ich mich ein bisschen hin um auch prompt einzuschlafen. Ich erwache erst recht spät wieder, so dass es sich eigentlich nicht mehr lohnt, mir etwas vorzunehmen. Also gehe ich noch kurz nach Dotombori, einem Vergnügungsviertel von Osaka, welches praktischerweise gerade bei der Station Namba anfängt, und vertreibe mir noch ein bisschen die Zeit, bevor ich endgültig schlafen gehe - natürlich nicht, ohne noch kurz an der Bar des Hotels vorbeizuschauen.
6. Tag, Osaka (Montag, 29.3.)
Wie so oft in japanischen Städten, wird der Verkehr auch in Osaka über viele Ebenen auf Hochstrassen und -schienen geführt
Dieses Jahr habe ich es erstmals geschafft, im Nankai South-Tower ein japanisches Frühstück zu bestellen. Aber da ich einmal mehr etwas spät aus den Federn komme, muss ich es ziemlich gehetzt runterschlingen. Gestärkt gehe ich Richtung U-Bahn und fahre mit ihr zum Hafen von Osaka, wo ich mir das Aquarium von Osaka ansehen will. Aber irgendwie bin ich noch ein bisschen sehr müde und an der Station, an der ich eigentlich nur umsteigen wollte, erwische ich prompt den falschen Ausgang und weg ist mein Ticket... Diese Gefahr besteht immer, wenn man eine Station nicht genau kennt und es ist ziemlich ärgerlich, wenn ein ¥370 Ticket im Schlund einer Maschine verschwindet obwohl man erst zwei Stationen weit gefahren ist. Aber einmal musste das ja auch mir passieren und so bleibt mir nichts anderes übrig als noch einmal ¥320 für den Rest des Weges zu bezahlen. Ich hätte vermutlich auch mit dem Beamten darüber diskutieren können und hätte es, wenn ich ein bisschen den ahnungslosen Gaijin gespielt hätte und auf die Tränendrüse gedrückt hätte, wohl auch wieder zurückerhalten. Aber das lässt mein Stolz dann doch nicht zu und mit einem Gesichtsausdruck, als ob ich genau dies hätte tun wollen, löse ich wieder ein Ticket und verschwinde wieder im Untergrund, diesmal in den richtigen Gang.
Bald bin ich im Hafengelände angekommen und nach 5 Gehminuten stehe ich vor dem Gebäude des Aquariums. Es ist übrigens gar nicht zu verfehlen, da der Weg komplett markiert ist. Im Aquarium, welches den stolzen Eintritt von über ¥2 000 kostet, ist an diesem Wochentag recht viel los: Ich bin auf jeden Fall froh, dass ich nicht schon am Sonntag hingekommen bin. Aber als gross gewachsener Europäer hat man in solchen Fällen einen Riesenvorteil, kann man doch über alle Leute hinwegsehen (ich selber bin mit 174 cm zwar nur Durchschnitt, in Japan aber dennoch grösser als 95% der Leute).
Das Aquarium, welches als schönstes von Japan gilt, ist den Besuch allemal wert. Bereits der Eingang ist spektakulär: Man läuft in einem Tunnel durch ein wunderbar beleuchtetes Aquarium, in welchem bunte Tropenfische schwimmen. Das zylindrisch geformte Acrylglass nimmt man dabei viel weniger wahr als bei normalen Becken und man fühlt sich tatsächlich, als ob man mitten im Wasser stehen würde. Danach fährt man mit der Rolltreppe auf das Dach des Gebäudes und läuft dann spiralförmig um das riesige Zentralbecken herum und kann die Tiere aus verschiedenen Perspektiven beobachten. Verschiedene Arten wie Delphine oder Seehunde kann man so sowohl im Freien als auch Unterwasser beobachten. Gerade bei den Delphinen, welche gerne aus dem Wasser springen, ist es sehr interessant, die verschiedenen Phasen der Bewegungsabläufe zu beobachten. Sehr beeindruckend ist auch die Tatsache, wie absolut mühelos diese Tiere durch das Wasser schiessen und sich dabei offenbar überhaupt nicht anzustrengen brauchen: Wenn ich da an uns Menschen denke, wie sehr wir uns im Wasser abstrampeln müssen...
Im Zentrum des Gebäudes ist aber das beeindruckendste Becken: Das Hauptbecken, welches sich über alle vier Stockwerke erstreckt, ist riesig (5 400 Tonnen Wasser) und beherbergt neben vielen kleineren Hai-, Rochen- und Thunfischarten einen riesigen Walhai, dem Aushängeschild des Aquariums. Der Fisch (er ist kein Wal sondern ein Hai), welcher grob geschätzt 6 Meter lang ist, schwimmt dabei so nahe an einem vorbei, dass man ihn, wäre da nicht das Glas, berühren könnte.
Aber auch die kleineren Becken sind sehr gut gemacht. Sehr beeindruckend ist der Schwarm Sardinen, eher gruselig dagegen die Riesenspinnenkrabben (falls die auf Deutsch tatsächlich so heissen). Diese grösste Krabbenart der Welt lebt in 200 - 400 Metern Tiefe vor Japan und sie sehen aus, als wären sie Invasoren aus dem Weltall. Ich bin auf jeden Fall froh, dass sie so tief im Meer leben, ich würde sonst nie mehr schwimmen gehen und hoffe nur, dass ich von den Dingern nicht schlecht träumen werde. Neben all der Unterwasserfauna gibt es aber auch ein paar Landtiere wie Vögel, Leguane und ein paar Affen.
Im untersten Stockwerk erfährt man noch ein bisschen etwas über den Bau und den Betrieb des Aquariums. Unter anderem steht dort, dass für den Bau einmal die Weltjahresproduktion an Acrylglass verbraucht wurde (woran ich allerdings ein bisschen meine Zweifel habe). Am Schluss soll aber auch das beeindruckende Gebäude nicht unerwähnt bleiben, welches ganz aus Glas gebaut wurde und, ein bisschen wie die Riesenkrabben, wie von einem anderen Stern zu kommen scheint. Ich kann den Besuch auf jeden Fall empfehlen, gibt es doch in der Schweiz kein nur annähernd so grosses Aquarium: Das ideale Schlechtwetterprogramm.
Apropos schlechtes Wetter: Das Wetter an diesem Tag war eigentlich gar nicht übel, schien doch den ganzen Tag die Sonne, allerdings war es ziemlich kalt und es blies ein unangenehmer Wind. Zwei Wochen bevor ich verreiste, herrschten in Osaka über 20º, jetzt wo ich hier bin nur noch etwa 5º. Zuhause, wo gerade ein arktischer Kälteeinbruch herrschte, hatte ich allen noch die lange Nase gezeigt und erzählt, wie warm es in Japan sein würde. Natürlich hatte ich keine Sekunde mit der Möglichkeit gerechnet, dass in Japan genau das gleiche passieren würde. Beim Packen hatte ich mir noch überlegt, ob ich überhaupt warme Sachen einpacken sollte, schliesslich würde ich ja die meiste Zeit ziemlich im Süden verbringen. Aber da Tokyo etwa auf der Breite von Mailand liegt, habe ich extra für Tokyo einen Wollpullover eingepackt. Dort war es aber locker 15º, im auf der Höhe von Tunis (!) gelegenen Osaka dagegen nur 5º... Aber was soll's, es beweist auf jeden Fall einmal mehr, dass man für Japan alle möglichen Sachen einpacken sollte und mit jedem Wetter rechnen sollte.
Inzwischen ist es schon Mittag und ich beginne zu realisieren,
dass ich mich jetzt endlich um die Einkäufe, welche ich tätigen
wollte, kümmern sollte. Schliesslich ist dies mein letzter
richtiger Tag in Japan und ich hatte noch nicht einmal eine
einzige Postkarte gekauft. Also gehe
ich weiter Richtung Umeda, wo sich mitten in der Station
(soweit die hochpräzise Ortsangabe im Lonely Planet) ein Kinokuniya
Buchladen befinden soll (der, den ich in Tokyo nicht gefunden
habe). In Umeda angekommen, irre ich ein ganze Weile in der
Station umher und suche verzweifelt nach allem, was einem
Buchladen oder einer englischen Orientierungskarte nur ähnlich
sieht.
Diese Suche bleibt aber ohne jeglichen Erfolg und leicht frustriert laufe ich Richtung Umeda Skybuilding los. Nordwestlich der Station soll dieses sein: Ich habe aber natürlich keinen Kompass dabei und keine Ahnung, wo eigentlich Norden sein soll. Die alten Pfadfindertricks wie Moos an den Bäumen helfen natürlich mitten in Osaka auch nicht weiter und um die Mittagszeit ist noch nicht einmal die Sonne eine grosse Hilfe. Nachdem ich rund 10 Minuten in die falsche Richtung gelaufen bin, erkenne ich endlich die richtige Richtung. Aber immerhin habe ich auf meinem Irrweg noch einen Buchladen gesehen: Wenn ich im zweiten Anlauf den Kinokuniya nicht finde, würde ich einfach zu diesem gehen. Nach ein paar Kilometer, welche mich grössten Teils rund um den Güterbahnhof führen, bin ich endlich am Ziel.
Eines der fantastischsten Gebäude Japans: Das 170m hohe Umeda Skybuilding, welches viele imposante Ansichten freigibt
Das Umeda Skybuilding spaltet in Osaka die Meinungen: die einen
finden es abgrundtief hässlich, die anderen schlicht genial.
Da ich ganz klar zu den Zukunftsgläubigen gehöre, schliesse
ich mich der zweiten Fraktion an. Das Gebäude ist ein sehr
moderner Komplex, der im wesentlichen aus zwei Türmen besteht,
welche auf der Höhe von 170m durch das Floating Garden
Observatory
, der Aussichtsplattform, verbunden werden.
Der Eintrittspreis von ¥700 (durchaus ein üblicher Preis)
wird durch die Heerscharen netter, uniformierter Damen versüsst,
welche einem formvollendet den (absolut nicht zu verfehlenden)
Weg weisen. Selbstverständlich wird einem im Aufzug nicht
nur die Bedienung der einzigen zwei Knöpfe abgenommen, man
wird auch über das Gebäude informiert (die Fahrt ist bei 150
m/Min. allerdings nur kurz). Den letzten Abschnitt des Weges
fährt man auf einer Rolltreppe über den riesigen Innenhof
des Gebäudes: nichts für schwindlige Leute!
Die Aussicht auf Osaka ist überwältigend. Einmal mehr wird
mir vor Augen geführt, welch idyllisch verschlafenes Nest
Zürich ist und wie eine richtige
Stadt aussieht. Zwar
bin ich zum dritten Mal in Osaka, erhalte heute aber zum ersten
Mal einen Überblick über die Metropole und kann jetzt erstmals
einschätzen, wo ich überall war. Nachdem ich mich satt gesehen
habe (es wird auch eine kleine Showeinlage mit künstlichem
Nebel und Musik geboten) schaue ich mir noch kurz die Ausstellung
im zweitobersten Stockwerk an und fahre wieder runter.
Der Rückweg ist ganz einfach: Unter dem Güterbahnhof, welcher mich beim Hingehen gezwungen hatte, einen langen Umweg in Kauf zu nehmen, führt eine Fussgängerunterführung durch, welche einem fast direkt in die Umeda Station zurückbringt. Ausserdem ist auf dem Prospekt, welcher man für die ¥700 ebenfalls bekommt, ein Plan der Umgebung - danke, jetzt hätte ich es auch nicht mehr gebraucht... Aber hier die Wegbeschreibung, für alle, welche sich mein Herumgeirre sparen wollen:
Suchen Sie in der Umedastation als erstes die Hankyu Umeda Station. Diese ist einfach zu finden, führt doch vom Hauptgebäude (in diesem befinden sich die U-Bahnen) ein Rollband zu dieser Station, ausserdem ist sie angeschrieben. Dort angekommen, werden Sie sich in einer Halle befinden, in der ausser Geleisen nicht viel ist (wenn es dort Einkaufszentren, Restaurants, etc. gibt sind sie falsch, machen sie eine 180º Wende und benutzen sie noch einmal das Rollband). Suchen Sie sich dort auf der linken (westlichen) Seite (wenn man vom Rollband kommt) einen Ausgang und nach ein paar Schritten (am New Hankyu Hotel vorbei) sollten Sie an der Shibata 1-chome Kreuzung sein. Überqueren Sie diese weiter geradeaus, begeben Sie sich aber auf die rechte Strassenseite. Dort geht es eine Treppe in die Unterführung hinunter und Sie können das Umeda Skybuilding nicht mehr verfehlen.
Ich starte einen zweiten Versuch, das Kinokuniya zu finden
und habe tatsächlich Glück: Ich finde einen englischen Situationsplan
und dort ist auch ein bookshop
eingetragen. Sofort
merke ich auch, warum ich den im ersten Anlauf nicht finden
konnte: Er befindet sich im nördlichen Teil der Hankyu Umeda
Station und mir ist ehrlich gesagt immer noch nicht klar,
wie man ohne Fahrschein dorthin gelangen kann. Ich laufe kurz
aussen um das Gebäude herum und stehe, als ich wieder rein
laufe, direkt vor dem Kinokuniya.
Dieser hat, obwohl er eigentlich nicht sehr gross ist, ein
erstaunliches Angebot. Im Gegensatz zu Buchläden bei uns,
in denen das Angebot auf verhältnismässig viel Platz ausgestellt
wird, wird in japanischen Bücherläden der letzte Millimeter
genutzt. Weiter sind fast alle Bücher in genau einem Exemplar
vorhanden (entsprechend oft werden die Regale nachgefüllt).
Im Auslandsteil finde ich auch sofort, wofür ich gekommen
bin: Es gibt eine breite Auswahl an Büchern für Sprachschüler.
Zum lange schmökern bleibt mir allerdings keine Zeit und so
kaufe ich, neben den Büchern für das nächste Semester, welche
hier 30% günstiger als bei uns sind, nur noch das zusätzliche
Kanji Workbook
zu unserem Shin Nihongo no
Kiso
und die Hiragana Ausgabe des Lehrbuchs (wir verwenden
in der Schule die Romanji Version, also die, welche in unseren
lateinischen Buchstaben verfasst ist. Dies ist zwar praktisch,
Hiragana und Katakana lernt man damit aber nie und nimmer).
Ein kurzer Blick auf die Uhr überzeugt mich davon, einen schnelleren Gang einzulegen und Richtung Hotel zurück zu hetzen: In knapp 4 Stunden habe ich mit einem Schulkameraden aus der Japanischklasse abgemacht. Vorher muss ich noch ein paar weitere Dinge einkaufen und ins Bad will ich auch noch. Also ab in die U-Bahn und zurück nach Namba.
In unmittelbarer Nähe der Station liegt Den-den City
,
das Elektronikviertel von Osaka, welches den Vergleich zu
Akihabara in Tokyo nicht zu scheuen braucht (den
ist
die erste Silbe von denki
, was elektrischer Strom bedeutet).
Dort muss ich für einen Freund ein neues Videospiel organisieren,
ein Neo-Geo Color (welches in etwa mit einem Gameboy Color
vergleichbar ist). Da diese Exotenkonsole auch in Japan nicht
sonderlich beliebt zu sein scheint, nimmt es eine gewisse
Zeit in Anspruch, diese zwischen den Tausenden von Playstation
Spielen zu finden. Die Playstation ist übrigens auch in Japan
die mit Abstand beliebteste Konsole, gefolgt vom Sega Staturn
bzw. dem Sega Dreamcast und dem Nintendo 64, welche sich etwa
die Waage halten. Auf dem Rückweg kaufe ich noch in der Lebensmittelabteilung
des Takashimaya Warenhauses (eines der grossen Japans)
o-miyaga
ein. O-miyaga
sind Mitbringsel, welche
man von Reisen nach Hause bringt und in Japan ein absolutes
Muss sind. Sehr beliebt sind Lebensmittel und auch ich kaufe
Gebäck ein.
Um 18:00 Uhr bin ich endlich im Hotel und rase Richtung Bad.
Das Nankai South-Tower hat ein wirklich tolles Bad inkl. einem
spektakulären Schwimmbecken. An diesem Abend reicht die Zeit
aber nur noch für ein Kurzprogramm im o-furo
und einer
Zigarette in der Lounge (wenn man sich nach dem sehr heissen
o-furo
nicht ein bisschen abkühlt, fängt man sofort
zu schwitzen an und dies ist ja wohl nicht der Sinn der Sache).
Pünktlich um 19:00 bin ich in der Seven Seas Bar des Hotels,
unserem Treffpunkt. Kaum habe ich mir einen Whisky bestellt
(japanischer ist ganz ausgezeichnet und ich kann meine Lieblingsmarke,
Suntory Hibiki
, nur wärmstens weiter empfehlen), treffen
auch schon Andreas und seine japanische Freundin Kayoko ein.
Kayoko-san war einen Monat lang in Japan in den Ferien und
Andreas immerhin zwei Wochen, so haben wir uns viel zu erzählen.
Das Highlight? Die beiden waren ebenfalls auf dem Aso und
haben genausoviel gesehen wie ich...
Danach geht es der Midosuji-dori, einer der grossen Einkaufsstrassen Osakas, entlang Richtung Restaurant. Da der Wind nicht nachgelassen hat und die Sonne in der Zwischenzeit untergegangen ist, erfrieren wir drei auf dem 20-minütigen Weg fast und kommen schlotternd beim HMV Osaka an. Im obersten Stockwerk ist das Tofulokal, welches Kayoko-san für uns ausgesucht hat, und dort wartet bereits Shoko-san, eine Freundin von Kayoko-san, auf uns (ich hoffe nicht zu lange, ich denke wir waren eher ein bisschen knapp dran).
Das Restaurant ist sehr nett. Wir haben ein kleines Zimmer
für uns alleine (mit Tatamimatten, Schiebetüren und, zum Glück,
den bequemen Buchten unter dem Tisch). Zu essen gibt es an
diesem Abend logischerweise Tofu in allen Variationen. Zum
ersten Mal trinke ich auch Wein in Japan: ich kann es aber
nicht empfehlen. Zum einen war der Wein zwar ein französischer,
stammte aber aus einem Gebiet, welches ich noch nicht einmal
dem Namen nach kenne (und als Sohn eines Vaters aus dem französischen
Teil der Schweiz, in der man Wein sehr schätzt, und Bruder
einer kant. dipl. Gastwirtin kenne ich mich eigentlich doch
ziemlich gut aus) und zum anderen wurde er bei max. 7º serviert,
für einen Rotwein viel zu kalt. Für den Rest des Abends gibt
es nach einem entschiedenen Veto von Andy und mir nur noch
Sake!
Das Essen schmeckte sehr gut und bestand aus über 10 Gängen. Neben dem eigentlichen Tofu, isst man auch die Haut des Tofus, welche bei der Herstellung anfällt (in etwa mit der Haut vergleichbar, welche sich beim Kochen von Milch bildet), so war etwa das Sashimi mit dieser umwickelt. In meinen Augen eher ein Kulturbruch war dagegen ein Gang, der aus einem Kartoffelgratin bestand - die Japaner haben mit solchen Dingen viel weniger Mühe als wir. In der Schweiz käme nie jemandem in den Sinn, zu Rösti ein bisschen Sashimi oder zu Fondue ein paar Yakitori zu reichen.
Danach gehen wir noch in ein Kaffee, um uns einen Drink zu
genehmigen. Als wir die Getränkekarte erhalten, staunen Andy
und ich nicht schlecht, dass sie vollständig in Englisch gehalten
ist. Ich frage mich noch, ob dies einfach trendy
ist,
als ich bemerke, dass unsere Begleiterinnen japanische Karten
erhalten haben: Das nenne ich noch Service! Übrigens liegt
in Japan offenbar Französisch im Trend, ich habe auf jeden
Fall an den unerwartesten Orten französische Schilder gesehen.
Mit ein paar Drinks und Kaffees geht dieser Abend gemütlich
aber sicher zu Ende und viel zu bald müssen wir aufbrechen:
Shoko-san lebt in Nara, rund 30 Zugminuten von Osaka entfernt,
und der letzte Zug fährt lange vor Mitternacht.
Nach dem Abschied wünsche ich noch Andy und Kayoko-san gute
Nacht, wir werden uns ja leider schon am nächsten Tag im Flughafen
wieder treffen, und ich gehe ein letztes Mal nach Dotombori,
dem wohl lebhaftesten Vergnügungsviertel Osakas. Dort hänge
ich noch wie üblich ein bisschen in den Spielsalons rum, welche
in Japan wirklich vorzüglich sind. Nicht nur dass es selbstverständlich
die neusten Spiele gibt, sie sind auch sehr sauber und ordentlich
und man kann während des Spiels sogar rauchen. Voll im Trend
scheint ein Automat zu liegen, bei dem der Spieler auf Sensorfeldern
im Boden tanzt. Dabei geht es darum, besonders spektakuläre
Figuren zu tanzen und möglichst viele sogenannte Kombos
hinzukriegen (Kombos
sind sonst eigentlich eher von
den unzähligen Prügelspielen bekannt). Aktivität seitens des
Spielers ist übrigens bei den neueren Automaten durchwegs
gefragt: Da wird nicht nur getanzt sondern auch Fahrrad gefahren
(inkl. treten natürlich), Gitarre gespielt und - kein Witz
- mit einer Rute geangelt. Diese Spiele sind natürlich ideal
für die Zubehörindustrie, gibt es die entsprechenden Gadgets
natürlich alle auch für die Playstations etc. zu kaufen.
Auf dem Rückweg ins Hotel komme ich noch an einem Swansons
vorbei, einem jener Lebensmittelläden, welche es überall in
Japan gibt und angenehmerweise 24 Stunden am Tag offen haben.
Dort kann ich noch rasch für eine andere Japanischkollegin
ein paar Tafeln Meiji
Milchschokolade kaufen, welche
sie sehr mag. Ich wundere mich noch, ob ich wohl der erste
Schweizer bin, welcher ausgerechnet Schokolade aus Japan mitbringt.
Im Hotelzimmer ist der Tag aber noch nicht vorbei: Am Abend hatte ich mir noch Postkarten gekauft und die muss ich jetzt noch schreiben - nicht weniger als 29! Aber es ist ja erst 1:30... Normalerweise bin ich ein Vielschreiber, dieses Mal fasse ich mich jedoch kurz und viel mehr als Grüsse finden sich über eine Stunde später auf kaum einer Karte. Es ist schon fast 3 Uhr in der Früh als ich es endlich ins Bett schaffe und dort wie ein Stein einschlafe...
7. Tag, Rückflug von Osaka (Dienstag, 30.3.)
... und viel zu bald wieder vom brutalen Surren des Weckers aus dem Schlaf gerissen werde. Ungläubig starre ich auf die Zeit - 7:00 - und kämpfe mich aus dem kuschligen Bett Richtung Dusche. Wenigstens habe ich dieses Jahr einen späteren Zug als im Vorjahr, da ich beim Kaufen des Tickets nicht gesagt hatte, wann der Flieger überhaupt abfliegt (sonst sorgen die immer besorgten Japaner garantiert dafür, dass man 2 Stunden zu früh dort ist). So kann ich in Ruhe packen und mich eine Stunde später gemütlich Richtung Lobby aufmachen. Die Formalitäten sind schnell erledigt und bald stehe ich auf dem Geleise der Nankai Linie, von dem um 8:30 der Rapi::t ß abfährt. Dieser futuristische Zug ist die schnellste (25 Minuten) und angenehmste Art und Weise von Osaka zum Kansai Airport hinaus zu fahren.
Beim Einchecken, dem Anstehen sowohl an der Kontrollstelle für die Flughafengebühr (welche in Kansai der Passagier selber zu bezahlen hat) und der Passkontrolle fällt mir auf, wie schnell die Zeit so vergehen kann. Aber alles ist bestens und nach einem kurzen Ausflug in den Duty-Free Shop komme ich genau 1 Minute vor Einchecken am Gate an - wenn das nicht Timing ist!
Dort schaue ich mich nach Andy und Kayoko um - vergebens. Aber die werden schon noch auftauchen und schon ist das Gate offen und ich besteige ein bisschen wehmütig das Flugzeug. Zehn Minuten später treffen die beiden doch noch ein und ich muss nicht alleine zurückfliegen (sie waren zwar schon lange vor mir am Flughafen haben dann aber mächtig getrödelt). Der Flug selber ist dann noch langweiliger als der Hinflug und das einzige, was die ganze Sache ein bisschen erträglicher macht, ist dass ich wenigstens nicht alleine bin.
In Frankfurt angekommen, haben wir mehr als genug Zeit: Der
Anschlussflug nach Zürich ist erst in 3½ Stunden und wir können
uns in aller Ruhe den Flughafen anschauen. Der Flughafen Frankfurt
hat drei Hauptgebäude, wovon zwei brandneu und sehr schön
sind aber offensichtlich kaum genutzt werden. Das einzige
Gebäude, in welchem viel Betrieb ist, ist das alte, welches
zu allem Überfluss noch umgebaut wird. Als wir noch in eine
Bar etwas trinken gehen - immerhin ein Steigenberger - wird
uns brutal bewusst, dass wir nicht mehr in Japan sind. Der
Service ist wirklich mies und wir überlegen uns, ob wir einen
Putzlappen verlangen sollen, damit wir die Bar wenigstens
einigermassen reinigen können... An der Kasse frage ich, ob
ich mit Kreditkarte bezahlen kann (D-Mark habe ich keine,
eine 10 000 ¥ Note will ich nicht mehr anbrauchen und Schweizerfranken
habe ich zu wenige) wird mir nur mit einem barschen Hauptsache
sie bezahlen
geantwortet. Das die gute Frau ausgesehen
hat, als ob sie direkt vom Set der Nacht der lebenden Toten
gekommen wäre, macht die Sache auch nicht gerade besser.
Aber eben, wenn man aus Japan zurückkommt muss man sich wohl oder übel mit den hiesigen Umständen wieder arrangieren und bald sitzen wir wieder im Flugzeug und bringen den Katzensprung nach Zürich auch noch hinter uns. Zu diesem Lufthansa Flug ist nur soviel zu sagen, dass er, was Service an Bord anbelangt, wohl der Tiefpunkt meiner Karriere war und sich nahtlos an den Service im Steigenberger Restaurant anpasste.
In Zürich angekommen geht alles ziemlich schnell und bald habe
ich meinen Koffer nach Bern aufgegeben und will mit meinen
Schulsachen Richtung Innenstadt - schliesslich ist Dienstag
und ich will keine Japanischstunde mehr verpassen als unbedingt
nötig. Aber Andy schlägt
vor (um einen Euphemismus
zu bemühen), dass ich noch bei ihnen zuhause vorbeischauen
solle: sie benötigen noch einen Kuli. Schliesslich hat Kayoko
noch jede Menge von Zuhause mitgebracht und auch ein Reiskocher
ist in dem Riesenhaufen Gepäck (ich wundere mich nur, wie
sie den in aller Welt ohne Aufpreis einchecken konnten). Also
geht es noch schwer beladen auf einen kleinen Umweg und, da
wir fast eine halbe Stunde auf ein Tram warten müssen, ist
mein Zeitplan über den Haufen geschmissen. Aber wir schaffen
es dennoch mit nur 5 Minuten Verspätung in die Lektion (andere,
welche wesentlich weniger als 10 000 km zurücklegen mussten,
sind noch später dran...).
Aber langsam macht sich doch ein gewisse Müdigkeit bemerkbar - schliesslich sind wir beide schon 24 Stunden auf und unterwegs - und in der zweiten Lektion sind Andy und ich kaum mehr ansprechbar. Aber wir bringen es doch mit Anstand hinter uns und mir fällt auf, dass ich nach dieser Woche Japan deutlich weniger Mühe im Verstehen von gesprochenen Sätzen habe. Anschliessend geht es noch kurz zum üblichen Umtrunk und ich gehe ab nach Hause.
Nachwort
Es stellt sich die Frage, ob sich ein Kurzurlaub in Japan lohnt oder nicht. Auch wenn es mich sehr gereizt hätte, am Schluss einfach dort zu bleiben, denke ich doch, dass ich diese Frage positiv beantworten kann. Wenn sich eine Gelegenheit bietet und man Lust hat, soll man sie ergreifen. Da der Flugpreis nur ein geringer Teil der gesamten Aufwendungen ist, ist es auch finanziell nicht so unattraktiv wie man vielleicht meinen könnte. Ein weiterer Vorteil eines Kurztrips ist der, dass der Jetlag weniger schlimm ist. Man lebt halt während einer Woche in der falschen Zeitzone, zwei Tage nach der Rückkehr hat man sich aber bereits wieder eingelebt.
Das Beste an dieser Reise (vom Essen mal abgesehen) war aber eindeutig die Motivation, festzustellen, dass sich der Japanischunterricht langsam auszuzahlen beginnt. Gerade wenn man in unseren Breiten Japanisch lernt, hat man das Problem, mit dieser Sprache im Alltag herzlich wenig anfangen zu können. Da ist ein Besuch im Land natürlich genau das richtige und gerade die Japaner, welche viel Freude an noch so bescheidenen Sprachkenntnissen von Ausländern zeigen, motivieren ungemein.